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Gedichte Rheintal


Gedichte

Geistesgruß
Johann Wolfgang von Goethe (1774)
gedichtet beim Anblick der Burg Lahneck

Hoch auf dem alten Turme steht
Des Helden edler Geist,
Der, wie das Schiff vorübergeht,
Es wohl zu fahren heißt.

Sieh, diese Senne war so stark,
Dies Herz so fest und wild,
Die Knochen voll von Rittermark,
Der Becher angefüllt.

Mein halbes Leben stürmt ich fort,
Verdehnt’ die Hälft’ in Ruh,
Und du, du Menschenschifflein dort,
Fahr immer, immer zu!


Rheinsage

Emanuel Geibel (1834)

Am Rhein, am grünen Rheine, da ist so mild die Nacht,
Die Rebenhügel liegen in goldner Mondenpracht.
Und an den Hügeln wandelt ein hoher Schatten her
Mit Schwert und Purpurmantel, die Krone von Golde schwer.

Das ist der Karl, der Kaiser, der mit gewalt'ger Hand
Vor vielen hundert Jahren geherrscht im deutschen Land.
Er ist heraufgestiegen zu Aachen aus der Gruft
Und segnet seine Reben und atmet Traubenduft.

Bei Rüdesheim da funkelt der Mond ins Wasser hinein
Und baut eine goldene Brücke wohl über den grünen Rhein.
Der Kaiser geht hinüber und schreitet langsam fort
Und segnet längs dem Strome die Reben an jedem Ort.

Dann kehrt er heim nach Aachen und schläft in seiner Gruft,
Bis ihn im neuen Jahre erweckt der Trauben Duft.
Wir aber füllen die Römer und trinken im goldenen Saft
Uns deutsches Heldenfeuer und deutsche Heldenkraft.

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