Wenn es um Straßen und Schienen geht, ist in Europa mit dem Lärmschutz nicht weit her. Hier verharren die Gesetzgeber in der EU und ihren Mitgliedsstaaten auf Regelungen, die auf die 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts zurückgehen. (siehe Foto) Die EU stellt das nicht in Frage und die Effekte ihrer Lärmaktionsplanung von 2002, lassen weiter auf sich warten.
Politiker werden einwenden, dass seither immer wieder Änderungen und Anpassungen vorgenommen wurden. Was sie nicht sagen, ist die Tatsache, dass die entscheidenden Faktoren wie A-Filter, Mittelung und Bestandsschutz, auf denen Lärmschutz beruht, unverändert blieben und damit Lärmschutz nicht funktionieren kann. Und dass hat folgende Gründe:
1. Lärm ist laut Gesetz „lästig,“ aber nicht gesundheitsgefährdend.
Die Einstufung „lästig“ bedeutet, dass man sich mit Lärmschutz endlos Zeit lassen kann und nicht zu messen braucht, wie sehr der Lärm gesundheitlich den Menschen schadet. Es reicht Durchschnittspegel zu berechnen, um Vergleichswerte zu haben, damit Behörden nichts falsch machen. Man kann sogar den gesamten Lärmschutz unter die Prämisse „freiwillig“ stellen und nur dann Menschen schützen, wenn Mittel vorhanden sind und es wirtschaftlich vernünftig erscheint. Laut Gesetz gibt es keinen Anspruch auf Lärmschutz, sondern nur den Wunsch der Bürger/innen nach mehr Komfort!
Eine weitere Konsequenz dieser „Lästig-Einstufung“ ist auch, dass Verkehrslärm beim Verkehrsministerium angesiedelt ist und nicht wie es notwendig wäre, bei den Bundesministerien für Gesundheit und Umwelt. Dem Verkehrsministerium ist nicht der Lärm, sondern der Lärmschutz lästig – wie man sich denken kann.
2. Nicht der Lärm, der insgesamt auf die Menschen einwirkt, wird berücksichtigt, sondern für jede Verkehrsart ein separater Wert. Ausgangspunkt der Lärmbetrachtung ist dabei nicht der Mensch, sondern der jeweilige Verkehrsträger.
Dass inzwischen überall in Deutschland und Europa die Menschen die Lärmemissionen von mindestens zwei und manchmal sogar von drei oder vier Verkehrsarten zu ertragen haben, spielt nach dem Gesetz keine Rolle. Es schaut und wertet immer nur eine dieser Arten. Dabei ist laut Medizinern jede zusätzliche Lärmquelle mit einem überproportionalen Anstieg der gesundheitlichen Risiken verbunden. Die geltende sektorale Betrachtung einzelner Verkehrsarten ermöglicht auch keine wirkungsvollen Lärmschutzmaßnahmen und ist somit ein mögliches Todesurteil für viele Betroffene, die rund um ihr Haus Verkehrslärm ausgesetzt sind aber keine Summation ihrer Lärmbelastung anerkannt bekommen.
3. Ein gegenüber den tatsächlichen Lärmwerten vor Ort um 20 bis 40 dB geringerer Mittelungspegel ist das Maß der Dinge im Lärmschutz. Damit bleiben mehr als 90% der Lärmenergie unberücksichtigt!
Man ermittelt Durchschnittspegel, die über einen ganzen Monat oder das Jahr berechnet werden. Das bedeutet, dass man nicht danach fragt, wieviel Lärm, wie oft und wie hoch auf Menschen einwirkt, sondern einen Durchschnittswert ermittelt, der durch Einbeziehung von lärmlosen Zeiten, die Werte drastisch nach unten senkt. Dieser sogenannte „Mittelungspegel“, ist insbesondere bei Bahnlärm so unerhört wie menschenfeindlich, weil hier die 20 – 40 dB Unterschied dadurch entstehen, dass zwischen den Zügen größere Pausen eintreten, was aber den Menschen, die beim nächsten Zug wieder aus dem Bett fallen, überhaupt nicht hilft und die Lärmsituation folglich auch nicht richtig beschreibt.
4. Tiefe Frequenzen spielen bei Verkehrslärmermittlung keine Rolle.
Laut Gesetz werden die tiefen Frequenzen beim Bahnlärm nicht berücksichtigt, sondern rausgerechnet. Das ist so als würde man bei einer Stereoanlage die Bassboxen abklemmen wodurch nur noch ein paar krächzende Töne übrigbleiben, die ein Lärmmessgerät mit weniger als 10% der tatsächlichen Schallenergie bewertet.
Bei Güterzügen, deren Lärm bei 100 km/h zwischen 80 und 120 dB laut sind, entstehen gewaltige Bassfrequenzen, die ganze Gebäude erschüttern lassen. (Wenn das Gebäude widerschallt, spürt man erst recht des Basses Grundgewalt. Goethe, „Faust“, Erster TeiI, Auerbachs Keller)
Im Lärmschutzrecht berücksichtigt man nur Frequenzen, die bei einer Lautstärke von 40 dB voll zu hören sind. Bei 40 dB fehlt den Bässen die notwendige Energie ihre enormen Schallwellen zu entfalten. Die Menschen erleben aber nicht 40 dB, sondern bis zu 120 dB und mindestens 80 dB, wenn ein Güterzug vorbeifährt. Damit ist dann durch das ausklammern der tiefen Frequenzen wirksamer Lärmschutz nicht möglich, weil auch die Schutzmaßnahmen nicht für diese tiefen Schallwellen berechnet wurden.
Untersuchungen der Universität Stockholm über ganz Schweden haben ergeben, dass es insbesondere die tiefen Frequenzen sind, die Menschen stören und massiv schaden. Auch die Befragung von 2000 Betroffenen im Rheintal hat genau das bestätigt. Seit 2010 weist Pro Rheintal die zuständigen Bundes- und Landesregierungen auf diese Sachverhalte hin, ohne Gehör zu finden. Man tut man so, als gäbe es solche Erkenntnisse, die auch bei der EU oder der WHO z. B. auf der „Lärm in Europe 2017“ vorgetragen wurden, nicht.
5. Der Bestandsschutz überträgt die Betriebsgenehmigung von Eisenbahnstrecken des 19. Jahrhunderts auf denen früher nachts kein einziger Güterzug verkehrte und Züge keine 10% der heutigen Lautstärke entwickelten, auf die heutigen Hochleistungsstrecken. Dabei werden entgegen aller grundrechtlichen Gleichbehandlungsregeln, einzelne Abschnitte, die nicht der traditionellen Definition von Ausbau und Erweiterung entsprechen, vom Anspruch auf Lärmschutz ausgenommen. Damit entstehen bei gleichen Verkehrsbelastungen an durchgängigen Verkehrskorridoren, je nach Region und Bundesland unterschiedliche Schutzregelungen. Der Anspruch auf Lärmschutz wird so, meist je nach Zahlungsvermögen eines Bundeslandes, den reicheren Regionen gewährt – mit Rechtstaat hat das wenig zu tun.
6. Akustische Vorgaben für Lärmschutz an der Quelle fehlen bis heute: Der Stand des Wissens und der Technik bleibt außen vor. Versäumnisse und Fehler des Systems tragen und erleiden die Bürger/innen.
Im Gesetz wurde verankert, dass der Stand des Wissens und der Technik berücksichtig werden muss und Grenzwerte für Fahrzeuge und Fahrwege diesem Stand entsprechen müssen. Das hat sich in fast allen Verkehrsarten auch bei der Lärmentwicklung niedergeschlagen, außer bei der bundeseigenen Eisenbahn, für die es solche Grenzwerte nicht gibt. Ergebnis: Während alle anderen heute nur noch halb so laut sind wie vor 40 Jahren ist die Bahn heute doppelt so laut wie damals.
Faktisches Lärmschutzwissen wie die Tatsache, dass gravierende Bahngeräusche nur an der Quelle verhindert werden können und weder durch Lärmschutzwände noch durch Lärmschutzfenster aufzuhalten sind, wird weiter ignoriert. Regelungen wie das neue Eisenbahngesetz, das besagt, dass auf Deutschen-Schienen keine lauten Güterwaggons mehr fahren dürfen, hängen wie alles andere an den selbst auferlegten Definitionen was laut ist.
Im Fall von Güterwaggon reichen ein paar Bremsklötze um das Prädikat „leise“ beanspruchen zu können und zwar unabhängig davon, wie laut der oft 50 Jahre alte Karren dann tatsächlich ist.
7. Das System Bahn wird getragen von Privilegien die sich der Staat selbst einräumt, um eine katastrophale Politik ohne Wirkung und Kontrolle zu vertuschen.
Wir alle erleben das System Bahn, ob als Fahrgäste oder Anwohner, ob als Kunden oder Zulieferer, als eine einzige Katastrophe. Bücher wurden und werden darüber geschrieben. (z. B. „Schaden in der Oberleitung,“ Arno Luik)
Fehler ohne Ende, Rückzug aus der Fläche, Intransparenz wie nirgendwo anders, Verschleiß, Überalterung mit Gefahren für Sicherheit und Gesundheit – doch anstelle da anzupacken wo es am notwendigsten ist, baut man Megabahnhöfe wie in Stuttgart oder ICE Strecken wie in Nürnberg. Jetzt sollen ganze Bahnstrecken monatelang stillgelegt werden um neue Großbaustellen zu schaffen, von denen keiner weiß wie und wann sie fertig werden.
Die Bahn darf fahren wann sie will und wie sie will, sie darf Milliarden ausgeben ohne Rechenschaft abzulegen und sie darf die Menschen Tag und Nacht, Sonn- und Feiertags quälen, ohne jemals dafür belangt zu werden.
Nicht einmal der Bundesrechnungshof bekommt vollen Einblick, wohin die Milliarden fließen. (Nach mehreren Entschuldungen und Bahnreformen hat die Bahn inzwischen wieder 37 Mrd. Schulden) Der „neue Bahnchef“, der früher Finanzvorstand und Kontroller war, hat das alles mitbekommen, was da an Sünden begangen wurde. Er hat offenbar gelernt und seit seiner Übernahme des Chefpostens die Schuldenbilanz schon wieder von 28 Mrd. auf 37 Mrd. Euro* steigen lassen und satte Boni dafür bezogen, das er für die Zukunft das Ziel ausgegeben hat die Pünktlichkeit auf „80 % “ zu begrenzen.
(*Zum Verständnis: Eine Milliarde Euro das sind tausendmal eine Millionen Euro oder in Sekunden ausgedrückt entsprechen eine Million Sekunden einem Zeitraum von 11 Tagen, während eine Milliarde Sekunden einem Zeitraum von 30 Jahren entsprechen! Eine unvorstellbare Summe Geld, die bei der Bahn Jahr für Jahr mehrfach versickert und hart arbeitenden Menschen Stunde um Stunde wieder abgenommen wird.)
Angesichts solcher Summen ist klar, woher die Direktiven kommen, die das Geschehen rund um den Verkehr und die Deutsche Bahn prägen. Das jetzt der Staat sein Tafelsilber (Telekom-Aktien) verkauft um weitere Milliarden in dieses Fass ohne Boden zu werfen bedeutet für die Menschen nicht weniger, als dass sie am Ende mit ihrem privaten Vermögen für alles haften werden.